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2.2.1. Abgrenzung zu anderen Netzen und Diensten

Der Unterschied zwischen Usenet und Internet läßt sich in einem Satz umreißen: Während das Usenet als ein logisches Netzwerk angesehen werden kann, meint der Begriff des Internet ein Computernetzwerk. Das bedarf einer genaueren Erläuterung. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet das Internet ein Metanetzwerk, das weltumspannend die Rechner verschiedener Netze miteinander verbindet. Das Metanetzwerk wird auch Matrix genannt. Die Matrix umfaßt dabei all jene Rechner, die per elektronischer Post erreichbar sind.(28) In einem engeren, technischen Sinn meint das Internet jenes Netzwerk, in dem die Rechner über das Protokollduett TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet-Protocol) (29) miteinander in Verbindung stehen. Auf TCP/IP aufbauend, stehen über das Internet verschiedene Dienste zur Verfügung. Hierzu gehören vor allem die elektronische Post, der Zugriff auf Software-Archive, das World Wide Web, aber auch das Usenet. Bezogen auf die Matrix bilden dann das technisch begriffene Internet und das Usenet Untermengen der Matrix.

Aus der Tatsache, daß das Usenet über das Internet zugänglich ist, kann jedoch nicht geschlossen werden, das Usenet wäre Teil des Internet: während z.B. das World Wide Web nur auf der Basis des Internet funktioniert, können die Nachrichten in den Foren des Usenet auch über andere Mechanismen verteilt werden. Daraus ergibt sich, daß solche Computer, die einen Zugang zum Usenet bieten, nicht zum Internet gehören müssen. Während das World Wide Web also auf einer technischen Ebene immer eine Teilmenge des Internet bilden muß, wird das Verhältnis von Internet und Usenet durch eine Schnittmenge charakterisiert. Als ein weiterer Unterschied zwischen Internet und Usenet sollte in Betracht gezogen werden, daß die Computer des Internet über einen definierten Software-Standard, nämlich TCP/IP, miteinander verknüpft sind. Für das Usenet trifft diese einheitliche Basis nicht zu. Zwar werden die Mitteilungen des Usenet auch über das Internet über ein auf TCP/IP aufbauendes standardisiertes Protokoll (Network News Transfer Protocol, NNTP) übermittelt, aber außerhalb des Internet kommen, je nach Betriebssystem, unterschiedliche Protokolle zum Einsatz. Die Abbildung 2.1 zeigt das Verhältnis, in dem Matrix, Internet im engeren Sinn und Usenet zueinander stehen.

 
Abbildung 2.1:   MATRIX, INTERNET UND USENET

Neben einer technischen Abgrenzung zu Internet-Diensten bietet sich gerade im Falle des Usenet auch eine Abgrenzung in bezug auf die Kommunikationsrichtung an. So können innerhalb des World Wide Web Nutzer auf Mitteilungen zugreifen, die auf einem bestimmten Internet-Rechner abgelegt wurden. Die Kommunikation spielt sich zwischen Autoren und Lesern ab. Die Leser können nicht an derselben Stelle zu Autoren werden. In diesem Sinne stellt das Web ein unidirektionales Medium dar. Hingegen erlaubt es das Usenet grundsätzlich, einen Artikel zu beantworten. Alle Leser haben die Möglichkeit, zu Autoren zu werden, weshalb das Usenet mindestens als ein bidirektionales Medium angesehen werden muß. Der Vergleich zwischen World Wide Web und Usenet offenbart jedoch noch mehr. Während die klassische Rollenverteilung im Web erhalten bleibt und im besten Fall auf eine Kommunikation zwischen einem Autor und vielen Lesern hinausläuft, ergibt sich mit der Möglichkeit des Sprungs vom Leser zum Autor innerhalb des Usenet das Bild einer polydirektionalen Kommunikation, weil viele Teilnehmer mit vielen anderen kommunizieren können.

Ein weiterer Unterschied zum World Wide Web besteht darin, daß Mitteilungen im Web zu einem großen Teil an einen festen Ort gebunden sind. Vereinfacht dargestellt, werden Mitteilungen auf einem bestimmten Computer abgelegt und auf Anfrage auf den Rechner des Benutzers transferiert. Mitteilungen, die in das Usenet geschickt werden, sind nicht an einen Ort gebunden. Eine Mitteilung wird nach dem Schneeballsystem verteilt. Die Verteilung erfolgt durch Kopieren der Mitteilungen von einem Rechner des Usenet auf seine ,,Nachbarn``, wobei die Programme darauf achten, nur solche Mitteilungen weiterzugeben, die der andere Rechner noch nicht hat. Dieser Verteilungsmechanismus erzeugt eine ungeheure Redundanz: ein Artikel kann nach drei Tagen auf tausenden von Rechnern des Usenet vorhanden sein. Auf diese Weise wird die Störungsanfälligkeit verringert. Sollte z.B. ein Rechner ausfallen, ist die Verteilung der Mitteilungen trotzdem ansatzweise gewährleistet. Erkauft wird die Sicherstellung der Verteilung allerdings mit dem Nachteil, daß nicht jede Nachricht auf jedem Usenet-Rechner eintreffen muß. Mitteilungen müssen schon deshalb nicht überall ankommen, weil Artikel, allein um die schiere Menge an Daten zu begrenzen, nach einer bestimmten Zeit gelöscht werden. Jeder Artikel hat also von vornherein nur eine bestimmte Lebensdauer, auf die der Autor einer Mitteilung kaum Einfluß hat. Sie richtet sich nach der Konfiguration des Usenet-Rechners: Sollte ein Artikel mit einem Zeitstempel eintreffen, der für einen Rechner als bereits veraltet gilt, löscht er ihn. Im Gegensatz dazu bleibt es innerhalb des World Wide Web dem Autoren überlassen, wie lange eine Mitteilung bereitgestellt wird.

Neben dem Usenet und dem World Wide Web bieten sich über das Internet noch andere Möglichkeiten zur Kommunikation. Im Vergleich zum Internet Relay Chat (IRC) offenbaren sich dabei weitere Charakteristika des Usenet. Um am IRC teilzunehmen, müssen Benutzer sich auf einem IRC-Server anmelden. Dort müssen sie für sich eine eindeutige Kennung wählen und haben dann die Möglichkeit, entweder einen bestehenden Kanal zu benutzen oder einen neuen Kanal zu eröffnen. Nehme ich die hier beobachteten Nachrichtengruppen als Beispiel, könnte es den Kanal ,,Stierkampf`` und den Kanal ,,Ägypten`` geben. Ein Benutzer mit anderen Interessen könnte den Kanal ,,Vampire`` eröffnen. Nach der Auswahl eines bestehenden Kanals erscheinen die Mitteilungen der anderen Nutzer automatisch auf dem Bildschirm. Eigene Mitteilungen können eingegeben werden und erscheinen mit geringer Zeitverzögerung dann auf den Bildschirmen der anderen Teilnehmer. Die Kommunikation erfolgt über IRC also synchron. Im Usenet dagegen verläuft die Kommunikation asynchron: Zwischen einzelnen Mitteilungen, die sich aufeinander beziehen, können Stunden, aber auch Tage liegen. Ein weiterer Unterschied ergibt sich daraus, daß Benutzer, die einen Kanal eröffnen, damit auch eine administrative Funktion für den Kanal gewinnen: sie können u.a. den Kreis der Teilnehmer beschränken oder Nutzer aus dem Kanal entfernen. Innerhalb des Usenet stehen ähnliche Möglichkeiten nicht zur Verfügung. Die Administration von Nachrichtengruppen beschränkt sich, mit der Ausnahme moderierter Nachrichtengruppen, nur auf ihre Schaffung oder ihre Abschaffung. Moderierte Nachrichtengruppen bilden insofern eine Ausnahme im Usenet, als Beiträge für ein solches Forum nicht vom Usenet-Rechner in Empfang genommen und weitergeleitet, sondern per elektronischer Post automatisch an den Moderator der Nachrichtengruppe geschickt werden. Der Moderator entscheidet dann über die Veröffentlichung des Beitrags.

Als Merkmale des Usenet ergeben sich also, daß es sich um ein eigenes Netzwerk handelt, dem kein einheitlicher Softwaremechanismus zugrundeliegt. Es erlaubt eine polydirektionale Kommunikation, wobei die Mitteilungen in einem Schneeballsystem aktiv verteilt werden. Charakteristisch für diese Art der asynchronen Kommunikation sind zum einen die beständige Fluktuation von Mitteilungen und zum anderen die geringe Administrationsmöglichkeit in nichtmoderierten Nachrichtengruppen.


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